Fränkische Nachrichten, 08.10.2024

Chor überzeugte mit enormer Strahlkraft

Im Münster St. Johannes: Chor Cappella Nova bietet englische Chor- und Orgelmusik aus vier Jahrhunderten gewohnt hochklassig dar

Beispiele englischer Chor- und Orgelmusik aus einem Zeitraum von vier Jahrhunderten standen auf dem Programm des Chor Cappella Nova, der sich unter seiner neuen Leiterin Esther Witt mit einem sehr gut besuchten Abendkonzert im Münster präsentierte.

Vom 17. bis ins 21. Jahrhundert, von William Byrds (1543-1623) Motette zum Text von „Ave verum corpus“ bis hin zu einer modernen Vaterunser-Vertonung von John Tavener (1944-2013) und dem bekannten Chorlied des 1945 geborenen John Rutter „The Lord bless you and keep you“, das mittlerweile auch zu einem gerne gesungenen Standard deutscher Chorkonzerte geworden ist, spannte sich der Bogen des stilistisch sehr abwechslungsreichen und gesanglich wie gewohnt hochklassigen Konzerts.

Der traditionsreiche, 2001 vom inzwischen verstorbenen Erhard Rommel gegründete und mehr als zwölf Jahre geleitete Chor stellte damit seine auch international anerkannte Leistungsfähigkeit einmal mehr unter Beweis. Instrumental ergänzt und bereichert wurden die Stimmen durch die Organistin Angelika Lohse, die in zwei Stücken auch solistisch hervortrat.

Die Chormusik hat in Englands Kathedralen eine jahrhundertelange, stabile Tradition. Die eigentümlich faszinierende Klangfarbe britischer Chöre, erzeugt durch den vorzüglichen Einsatz von Knaben- und hohen Männerstimmen, dürfte auch dem deutschen interessierten Publikum vertraut sein. Nicht nur durch England-Aufenthalte sondern auch durch die TV-Übertragungen von Krönungszeremonien und anderen royalen Feierlichkeiten in Westminster Abbey oder der St. Paul’s Cathedral.

Beim Chor Cappella Nova überwiegt freilich der Anteil weiblicher Soprane und Altistinnen deutlich, was der Strahlkraft des Klangkörpers jedoch keinen Abbruch tut. Sie wurde beim Konzert im Münster modifiziert durch den Standort des Chors auf der Orgelempore, was seiner Klangwirkung etwas zusätzlich Jenseitiges, gleichsam aus unerreichbar fernen Regionen Kommendes verlieh. Erst gegen Ende des Konzerts wechselten die vierzig Sängerinnen und Sänger hinunter zum Altarraum, um auch optisch in unmittelbaren Kontakt zur Zuhörerschaft zu kommen.

Den Auftakt bildete an diesem Abend die „Evening hymn“ von Henry Balfour Gardiner (1877-1950), einem späten Vertreter der romantischen Schule. Dessen stimmungsvoller Klangfantasie wurde der Chor mit einem vielfältig schattierten Farbenreichtum, differenziertem Ausdruck und geschmeidiger, nuancenreicher Dynamik gerecht.

Melodisch eingängig

Gewichtiger nach Format und Umfang ist die „Missa princeps pacis“ („Friedensfürst“) von William Lloyd Webber (1914-1982), dem Vater des noch viel bekannteren Andrew Lloyd Webber. Dessen melodisch eingängige, unmittelbar das Gefühl ansprechende Umsetzung der liturgischen Texte scheint bis zu einem gewissen Grad die populäre Musical-Karriere des Sohnes vorwegzunehmen. Der Chor Cappella Nova unter der Leitung von Esther Witt interpretierte das gefällige Werk sehr differenziert und textnah (im „Credo“ glaubte man beispielsweise jedes Wort zu verstehen), lebendig im „Sanctus“ und wunderbar zart nuancierend im abschließenden „Agnus Dei“. Den in Deutschland geborenen Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847) könnte man mit einigem Recht eben so gut als Halb- oder Wahlengländer bezeichnen. Wie zuvor Händel feierte er seine glänzendsten Erfolge in England, mit seinen großen Oratorien, aber auch mit geistlichen Gelegenheitswerken wie der dramatischen Hymne „Hear my prayer“, in dem ein Erzähler als König David im Wechselspiel mit dem Chor um Schutz vor seinen Feinden bittet.

In der Rolle der Erzähler-Solistin wartete hier die Sopranistin Angela Hinderberger mit einer lyrisch süßen, feinfühlig agierenden und emotional anrührenden Stimme auf, die allerdings passagenweise Probleme hatte, sich gegen die geballte Macht von Chor und Orgel durchzusetzen.

Besser gelang dies in der Rolle der Maria beim „Magnificat“ von Charles Villiers Stanford (1852-1924), einem herausragenden Vertreter der englischen Musiktradition des 19. Jahrhunderts, und als Duopartnerin von Angelika Lohse in den subtilen Melismen des Simeon in der Hymne „Nunc dimittis“ von Geoffrey Burgon (1941-2010), der sich in seiner Karriere auch als Ballett- und Filmkomponist einen Namen gemacht hat.

Auch die Chormusik früherer Epochen kam beim jüngsten Auftritt des Chor Cappella Nova zu ihrem Recht, hier mit einer frühen, 400 Jahre alten Vertonung des „Ave verum corpus“ von William Byrd, einer stellenweise herb-dissonanten, polyphonen Renaissance-Motette, vorgetragen mit einer gläsern-kühlen Präzision, die in ihrer Anmutung fast schon zeitgenössisch war.

Eine der Vorzüge britischer Chormusiktradition ist sicher ihre zumeist auch für ein breites Publikum unmittelbar fassliche und zugängliche Tonsprache, wie sie sich z.B. auch in der „Vaterunser“-Vertonung von John Tavener (1944-2013) zeigt. Dazu verteilten sich die Sängerinnen und Sänger entlang der Seiten des Mittelschiffs und sorgten damit für faszinierende Halleffekte im Kirchenraum, die der mystisch-meditativen Strahlkraft der Komposition gemäß war.

Stehender Schlussapplaus

Über dieselbe Innigkeit und Unmittelbarkeit des Ausdrucks verfügen auch William Monks bekanntes Chorlied „Eventide“, in dessen Text die Erfahrung der Jünger auf dem Weg nach Emmaus thematisiert wird und dessen Weise auch in die deutschen Kirchen Eingang gefunden hat, und John Rutters „The Lord bless you and keep you“. Zwei Stücke, in denen sich der Chor und seine neue Leiterin Esther Witt zum Abschluss vor der versammelten Hörgemeinde präsentierten, die ihnen mit einem mehrminütigen, herzlichen und stehend dargebrachten Schlussapplaus dankte.

Nicht unerwähnt bleiben dürfen last but not least aber auch die zwei Orgelintermezzi, mit denen Organistin Angelika Lohse das Chorkonzert würzte, des „Voluntary (eine Art Orgelimprovisation) in C-Dur“ von Henry Purcell (1659-1695), farbig, kontrastreich und ausgesprochen unterhaltsam, und mehr noch der anspruchsvollen „Fantasia und Toccata in d-moll“ vom schon oben erwähnten Charles Stanford, einem unter anderem von Bach beeinflussten Werk romantischer Orgelmusik.

Die Interpretin demonstrierte an der hier vor zwei Jahren neu eingerichteten Rensch-Orgel ihre frappierende Virtuosität, überlegene Disposition und immer überraschende Klangfantasie.

Thomas Hess

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