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Fränkische Landeszeitung, 15.11.2021 |
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Rare Pracht |
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Beethoven-Messe in St. Jakob |
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Solche Konzerte, groß besetzt mit Solisten, Chören und Orchestern, sind selten geworden, sehr selten. Nach Lage der Dinge wird das leider auch diesen November, in der Kirchenmusik traditionell ein Monat für Oratorien und Requien, so bleiben. Rothenburg hatte es besser. Das war ein Ausnahmekonzert, was da am Samstag in St. Jakob zu erleben war, eine Ausnahme nicht nur Corona und der ausgefallenen Kirchenheizung wegen, sondern auch wegen seiner musikalischen Güte. Es war, der Not gehorchend, ein nachgeholtes Doppel-Geburtstagskonzert zum Beethoven-Jahr 2020, das auch ein Witt-Jahr war; letzteres hat die Musikwelt fast vergessen. Witt? Es könnte sich lohnen, hierzulande das Werk von Friedrich Witt in Erinnerung zu rufen, es zu pflegen. Der fränkische Komponist wurde keine 20 Kilometer entfernt von Rothenburg geboren, er stammte aus Niederstetten und wirkte vor allem in Würzburg. Kuriose Verwechslung Seine “Jenaer Sinfonie”, 1909 in Jena entdeckt, galt als Frühwerk Ludwig van Beethovens, weil dessen Name darauf notiert war. Man hört der Sinfonie tatsächlich die Nähe zu Haydn an, hörte sie als Beethoven, der noch nicht nach Beethoven klingt. Eine kuriose Verwechslung. So wurde sie in der ganzen Welt aufgeführt und geschätzt. Das änderte sich 1968, als H. C. Robbins Landon die wahre Urheberschaft beweisen konnte. Der Haydn- und Mozart-Experte entdeckte im österreichischen Stift Göttweig eine zweite Partitur. Diese Sinfonie in C-Dur ging nun in St. Jakob Beethovens C-Dur-Messe voraus. Sie entstand ungefähr zehn Jahre vor dieser. Der Unterschied war mit den Ohren zu fassen: Witt geht sichere, gut vertraute Wege, Beethoven bricht ins Unbekannte, ins Neue, Ungesicherte auf. Langweilig wirkte Witts C-Dur-Sinfonie trotzdem in keinem Takt. Das verhinderten die Rothenburger Kantorin Jasmin Neubauer und das Main-Barockorchester Frankfurt. Das Ensemble ist in der Region noch nicht präsent - so wie es spielte, ist das zu bedauern. Vor Neubauer saßen Instrumentalisten, rote Decken wegen der Kälte auf dem Schoß, und spielten so frisch, so plastisch, so klangschön, wie das nur zu wünschen ist. Neubauers Interpretation hatte Schwung und Zug, Kraft und Poesie. Das Main-Barockorchester nahm mit seinem feinen Streicherklang, den warmen Holzbläsern und der harmonisch integrierten Blech-Pauken-Fraktion für sich ein. Zusammen ergab das einen feinen Klangkörper, der auch im Tutti differenziert agierte. Solche Qualitäten kamen natürlich Beethovens C-Dur-Messe, die viele schnelle Ausdruckswechsel verlangt, enorm zugute. Da konnte noch in einer Spielfigur der Klarinette oder einer Oboenphrase ein Glaubensgeheimnis oder eine inständige Bitte um Frieden aufscheinen. Jasmin Neubauer widmete den so wichtigen Details ihre Aufmerksamkeit, ohne dabei den großen Bogen, der Dispositionsgeschick verlangt, aus dem Blick zu verlieren. Sie beschwor mit ihren Ensembles eindringlich Schmerz, Tod und Trauer, die Herrlichkeit Gottes oder die Hoffnung auf Auferstehung. Mit Helen Rohrbach, Maria Hilmes, Jo Holzwarth und Felix Rathgeber hatte sie ein hervorragendes Solistenquartett vor sich, das Beethoven freilich in seiner Messe nicht in Arien exponiert, sondern nutzt, um das Chor-Kollektiv pointiert zu individualisieren. Wie das Quartett seinen Part emotionalisierte, überhöhte, war rundum beeindruckend. Der Gemeinschaftschor aus dem St.-Jakob-Chor Rothenburg und dem Chor Cappella Nova Bad Mergentheim, den Karl Rathgeber einstudiert hatte, gefiel durch seine Tonschönheit und seine dynamischen Möglichkeiten, die sich unter Neubauers Leitung facettenreich in Expression verwandelten. Im Credo zum Beispiel, traditionell der bildhaft-dramatischste Teil einer Messvertonung, waren ungezählte Details zu entdecken, die in nur wenigen Takten neue Aussagen illustrierten, als hätten sich in ihnen ganze Deckenfresken verdichtet. Um ein Detail herauszugreifen: Der Geist wird Fleisch. Das konnte man spüren, miterleben im “Et incarnatus”. Die Menschwerdung Christi fällt wegen der Adagio-Vorschrift oft recht meditativ aus. Neubauer wählte hingegen ein flüssigeres, atmendes Tempo, ein Tempo mit Körpergefühl. Man hörte den Puls von Beethovens Musik. Thomas Wirth |
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