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Bad Mergentheim. Eine kammermusikalisch transparente und detaillierte, dazu farbenprächtige, lebendige und anschauliche Aufführung der ersten drei Kantaten von Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium bot Erhard Rommels "Cappella Nova"-Chor zusammen mit Solisten und Instrumentalisten bei seinem jüngsten Auftritt in der voll besetzten Schlosskirche.
Die große Popularität dieses Werkes, das aus insgesamt sechs Kantaten (für die sechs Weihnachtstage, die zu Bachs Zeiten noch gefeiert wurden) nachträglich zusammengestellt wurde, hat dafür gesorgt, dass es mittlerweile zum festen Konzert-Repertoire der Weihnachtssaison zählt. In der Regel wird es dabei hälftig getrennt und auf zwei Termine verteilt. Ein Standardwerk also - und gerade darum eine immer neue Herausforderung für Interpreten und Ensembles, die je nach ihren Möglichkeiten andere Facetten des unerschöpflichen Bach'schen Kosmos besonders auszuleuchten versuchen. In diesem Fall waren es neben Cappella Nova und vier Solosängern die vortrefflichen Süddeutschen Kammersolisten, die dieser eindringlichen Realisation ihren eigenen Stempel mit aufprägten.
Große stilistische Vielfalt, tief empfundene innerliche Stimmung und spirituelle Aussagekraft kennzeichnen die drei Kantaten des ersten Teils, in denen die Geburt des Erlösers, die Engelsverkündigung an die Hirten auf dem Felde und deren Gang zur Krippe thematisiert sind. Wie in anderen seiner großen Sakralvertonungen schuf Bach dafür eine sich wechselseitig ergänzende Verbindung von im Rezitativ vorgetragenen Evangelientexten und das Heilsgeschehen kommentierenden und vertiefenden geistlichen Dichtungen. Eine Besonderheit bildet anfangs der zweiten Kantate die instrumentale "Sinfonia" in pastoralem Holzbläser-Klanggewand, die der Erscheinung des Verkündigungsengels vorangeht. Charakteristisch für diesen Teil des Weihnachtsoratoriums ist generell die Verbindung von festlich-erhabenen (wie im Eingangs-Chor) und zärtlich-intimen Ausdruckswerten, wie sie in solch reicher und sublimer Verschmelzung nur bei Johann-Sebastian Bach vorkommen.
Als vielfach bewährter Bach-Interpret und Dirigent seiner Cappella Nova setzte Erhard Rommel in diesem Weihnachtskonzert auf einen Stil, der eher ruhige, gelassene Tempi mit einem sorgfältigen Herausarbeiten des sprachlichen Duktus in den Chorsätzen verband. Im Vordergrund stand dabei immer die lebendige, unmittelbare Vergegenwärtigung der religiös-inhaltliche Aussage mit ihren reichen Ausdruckswerten inclusive großer Textverständlichkeit auch in den Ensemblenummern - also Qualitäten, die dieses Vokalensemble seit je ausgezeichnet haben. Die bekannten Choräle überzeugten durch ihre ebenso natürliche wie einfühlsame Sanglichkeit und ausdrucksvolle Beseeltheit ohne jene übermäßige Breite, die immer Gefahr läuft, ins Pompöse auszuarten. Bei zwei Nummern wurden sie dabei von dem von Daniela Borst gut eingestimmten "Kinderchor an der Schlosskirche" unterstützt.
Auf hohem Niveau agierten auch die jungen Instrumentalisten der Süddeutschen Kammersolisten, die nicht nur mit präzisem und präsentem Streicherklang, souverän angeführt von der auch solistisch beeindruckenden Konzertmeisterin Nina Karmon, sondern auch mit einer stimmlich profilierten, leuchtenden Holzbläsersektion aufwarten konnten, die nicht nur die berühmte Hirtensinfonie zu Beginn der zweiten Kantate prägte sondern auch manche Arie (z.B. dem Duett "Herr mein Mitleid..") mit einem berückend schönen und kammermusikalisch fein gesponnenen Klanggewand versah. Ergänzt und gehoben wurde diese Begleitung durch den barocken Glanz der "Ansbacher Hoftrompeter", zuverlässig grundiert durch eine ausgesprochen beschwingt sich einbringende Continuogruppe mit dem Cembalisten Wolfgang Sálat und dem Organisten Joachim Brede. Teilweise (noch) unbekannten Stimmen begegnete man in der Schlosskirche in Person der vier Solosänger, von denen Eva Schramm mit ihrem reizvollen, leichtgängigen und berückend süßen Sopran aufhorchen ließ. Größere Aufgaben hatte Altistin Claudia Schneider in ihren insgesamt drei Arien zu meistern: Ihre schlanke, etwas spröde timbrierte Stimme verfügt über eine Vielzahl zärtlich-intimer Ausdrucksnuancen, hatte allerdings gelegentlich Mühe, sich gegen die begleitenden Kammersolisten zu behaupten. Wie gewohnt überaus engagiert, mit Wärme und tief empfundenem, gefühlsbetontem Ausdruck sang Manfred Birkhold (Bariton) seine Arien und erläuternden Rezitative. Die imponierendste Stimme in diesem Weihnachtsoratorium gehörte allerdings dem jungen Tenor Maximilian Kiener, der einen brillanten und extravertierten, mit jubilierender Emphase die frohe Botschaft förmlich herausschmetternden Evangelisten verkörperte und in seiner Arie "Frohe Hirten..." ein bezwingend müheloses, virtuoses Kabinettstückchen ablieferte. Der lang anhaltende, überaus herzliche Beifall in der Schlosskirche galt gleichermaßen der Leistung aller Beteiligten.
Thomas Hess
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