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Mit einer machtvollen, eindringlichen und emotional sehr bewegenden "Elias"-Aufführung in der voll besetzten Bad Mergentheimer Schlosskirche demonstrierte der Chor Cappella Nova einmal mehr die herausragende Kompetenz, die er unter seinem Leiter Erhard Rommel gerade auf dem Gebiet der Sakralmusik des 19. Jahrhunderts gewonnen hat.
Mehrminütige, stehende Ovationen nach fast zweieinhalb Stunden Musik bewiesen, dass die Botschaft von Mendelssohns großem Oratorium bei einem Publikum angekommen war, das diesem außergewöhnlichen Vokalensemble und seinem Leiter in der Kurstadt seit Jahren die Treue hält. Unterstützt wurden die Sängerinnen und Sänger für diese anspruchsvolle Aufgabe im 200. Geburtsjahr von Felix Mendelssohn-Bartholdy von Gästen des Chorverbands Hohenloher Gau, der dieses Jahr ebenfalls ein Jubiläum (125 jähriges Bestehen) feiert, vier Gesangssolisten und dem bewährten Instrumentalensemble der Süddeutschen Kammersolisten.
Das bedeutendste von insgesamt zwei Oratorien Felix Mendelossohn-Bartholdys( 1809-1847) wurde nach etwa zehnjähriger, an Wechselfällen reicher Vorarbeit 1846 vollendet und im August jenes Jahres in Birmingham erfolgreich uraufgeführt. Gerade in England ist der "Elias" auch bis heute besonders populär geblieben, während die deutsche Aufführungsgeschichte durch Mendelssohns Verfemung in der Nazizeit einen Bruch erlitt und erst zögerlich wieder in den festen Bestand des Repertoires Eingang fand.
Die Musik des zweiteiligen, von der Besetzung her sehr aufwendigen Werkes zeigt wie wenig andere die unverwechselbar eigene Tonsprache des Sakralmusikers Mendelssohn, in seiner der Verbindung aus schlichter, direkter Ausdruckswahrheit, seiner dramatischen, illustrativen Kraft an den Wendepunkten des Geschehens und typisch romantischer Empfindsamkeit, die der gefühlsbetonten Rezeption religiöser Inhalte zu jener Epoche entsprach. Ihre spezielle Ausstrahlung rührt aus einer einerseits traditionsgebundenen, zugleich aber echten, tief empfundenen und ungekünstelten Bibelfrömmigkeit, die bis heute nichts von ihrer Wirkung verloren, ja in einer weitgehend säkularisierten Umgebung eher noch gewonnen hat.
Worauf es hier ankommt, ist - mit notwendigerweise reduziertem Aufwand (Mendelssohn selbst schwebte ein großer, expansiver Chor- und Orchesterklang für sein Oratorium vor) - den "Geist" dieser Musik zu erfassen, und in dieser Hinsicht gelang Erhard Rommel mit seinen Sängern und Instrumentalisten eine Interpretation, die ein Optimum an seelisch-emotionaler Wirkung aus den vor Ort gegebenen Möglichkeiten freizusetzen verstand. Dies nicht nur dank der ungewöhnlich geschlossenen, organisch ineinandergreifenden Interaktion zwischen Chor und Kammerorchester und des auch im machtvollen Fortissimo immer noch möglichst ausgewogenen, reichen aber nicht plumpen oder massigen Gesamtklangs.
Es hing auch mit der inneren Wahrhaftigkeit und Werkgerechtigkeit bei der Umsetzung der Intentionen des Komponisten zusammen, wobei eine innere, erzählende Dramatik gewählt wurde - im Gegensatz zu einer äußerlich aufgesetzten. So erschienen auch die spektakulären Höhepunkte dieser Geschichte bzw. Bilderfolge(der Kampf mit den Baalspriestern und mit Königin Jezabel, das erfolgreiche Gebet um Regen usw.) als natürliche Folge einer sich notwendig zuspitzenden Entwicklung in der ständig schwelenden Auseinandersetzung zwischen dem Propheten und den ihn anfeindenden, gottfeindlichen Mächten.
Schließlich kam bei Erhard Rommels "Elias"-Interpretation auch die Romantik nicht zu kurz, ohne dass man dabei ein Abgleiten in Sentimentalität befürchten musste. Die Chorquartette und -terzette mit ihrem blühenden und strömenden Wohlklang und ihrer lyrischen Intensität zeigten den verstärkten "Cappella Nova" Chor in glänzender Verfassung und gehörten zu den Glanzpunkten dieser Aufführung in der Schlosskirche.
Nicht ganz so einheitlich war das Bild bei den Gesangssolisten: Yvonne Albes (Alt) als Engel sang sehr gepflegt und schön artikulierend, blieb zunächst etwas blass, steigerte sich dann in der Rolle der bösen Königin deutlich. Tenor Thomas Ströckens als Obadja brauchte gleichfalls eine gewisse Anlaufzeit, bis er sich mit der ihm zweifellos zur Verfügung stehenden Strahlkraft richtig in Szene setzen konnte. Großen Respekt vor der Leistung von Ulf Bästlein, der die tragende Titelrolle trotz einer noch nicht ganz überstandenen Erkrankung übernommen hatte, noch nicht im Vollbesitz seiner stimmlichen Möglichkeiten war, dennoch mit spürbar hingebungsvollem Einsatz vor allem dem leidenden Elias des zweiten Teils ein anrührendes Gesicht zu geben vermochte.
Die vokale Glanzrolle dieser Aufführung blieb freilich Sopranistin Barbara Zechmeister vorbehalten, die ihrer Rolle als zweifelnde Witwe eine furiose, geschmeidige und mitreißende Dramatik verlieh und mit ihrer Solo-Arie zu Beginn des zweiten Teils ein weiteres imponierendes Glanzlicht setzte. Eine makellose Leistung bot daneben Rebecca Madeleine-Katz (Sopran) in zwei kleineren Rollen als Knabe und Engel.
Thomas Hess
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